Tschun by Heyking Elisabeth von

Tschun by Heyking Elisabeth von

Autor:Heyking, Elisabeth von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


Gerade in dieser Zeit hörte Tschun wieder mal besonders viel von Versetzungsmöglichkeiten reden. Es hieß, daß bald ein sehr schöner Posten irgendwo frei werden sollte, und daß der Ta-jen ihn vielleicht erhalten würde. Von Madame Angèle wußte Tschun, daß der Ta-jen und die Taitai, die sonst über alle Dinge entgegengesetzter Ansicht waren, hier einmal den Wunsch, auf jenen Posten zu kommen, beide gleich heftig hegten, und daß sie auch fänden, sie hätten Ansprüche darauf. Aber vor seinen Kollegen tat der Ta-jen doch scheinbar bescheiden abwehrend: »Solche Auszeichnung würde weit über seine schwachen Verdienste gehen,« antwortete er feierlich auf eine Frage. Die vielen jungen Herren, die die Taitai stets umschwirrten, besonders aber der hübsche, weiße, schienen alle ganz geknickt bei der bloßen Möglichkeit ihrer Abreise. Trauernd starrten sie bei dem Jour der Taitai in die Teetassen. Sie aber sagte nur lachend: »Es sei ja noch gar nicht entschieden.«

Ja, mit lauter solch kleinem Tun und Trachten wurden die rasch fliehenden Stunden des Sonnenscheins gefüllt. Und niemand schien zu ahnen, daß es vielleicht die letzten sein würden. Denn über all diese, Zeit und Gedanken gefangennehmenden Dinge war keine rechte Aufmerksamkeit übrig geblieben für die Anzeichen großer, aus dem Rahmen alles bisher Erlebten heraustretender Ereignisse. Unbemerkt war das Unwetter aufgestiegen und stand nun schon dunkel und dräuend am Himmel. Mit einer kleinen Wolke in Schantung hatte es angefangen. Jetzt lag ihr Schatten schon weit über Petschili.

Seit Monaten schon hatte man ab und zu in den Gesandtschaften Kunde erhalten von Ueberfällen auf einheimische Christen und Bedrohungen europäischer Missionare, die in Schantung stattgefunden haben sollten. Aber das gehörte ja so sehr zu den alltäglichen Aeußerungen der chinesischen Volksseele, daß man es stillschweigend hingenommen hatte, nur wünschend, daß die Ereignisse nicht einen Umfang annehmen möchten, der Einsprache oder Einschreiten unvermeidlich machte.

Doch dies Hoffen hatte sich nicht erfüllt. Aergere Ausschreitungen waren gefolgt: große Plünderungen christlicher Dörfer, Metzeleien ihrer Bewohner, Vertreibung, ja sogar Verwundungen von Missionaren wurden gemeldet. Auf die nun nötig gewordenen milden Vorstellungen beim Tsungli-Yamen erfolgte die Antwort, diese von der chinesischen Regierung sehr bedauerten Vorkommnisse seien auf Räuberbanden zurückzuführen, die sich in letzterer Zeit durch das große Elend stark vermehrt hätten.

Und dies klang glaubwürdig genug, denn nie noch waren die von Luft- und Wassergöttern geschaffenen Zustände dem Volkswohl so ungünstig gewesen! Dürre in den einen Gebieten, Wolkenbrüche in den anderen hatten allerwärts die Ernten vernichtet. Der Gelbe Fluß war ausgetreten und hatte, alle Deiche durchbrechend, weite Ländereien überschwemmt. 160.000 Menschen sollten dort obdachlos sein. Die größte Hungersnot, die je erlebt worden, herrschte seitdem in ganzen Landesteilen. Da mochten leicht einmal von den in großen Banden nach Nahrung Suchenden Uebergriffe begangen werden.

Mit diesen offiziellen Erklärungen beruhigte man sich.

Aber nun kamen Nachrichten von den Missionaren im Innern, daß es sich bei den Ausschreitungen doch keineswegs bloß um gewöhnliches räuberisches Gesindel handle, das sich zufällig, von der Not getrieben, zusammengerottet habe, sondern daß, neben diesen, andere weit gefährlichere Scharen beständen, die wohlorganisiert seien und einen ausgesprochen fremdenfeindlichen Charakter trügen. Sie schienen alle zu einer geheimen Sekte zu gehören, die



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